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Zwirnsrolle


Zeit

Obwohl wir die Zeit nicht sehen oder fühlen können, spielt sie in unserem Leben eine sehr wichtge und auch komplizierte Rolle.
So ist es vielleicht hilfreich, zwischen einer subjektiv empfundenen Zeit. einer objektiven Zeit und einer Individualzeit zu unterscheiden. Beginnen wir mit der subjektiv empfundenen Zeit, die sich weiter untergliedert in das augenblickliche Zeitempfinden und die rückblickende Beurteilung einer Zeitspanne.

Für die subjektive rückblickende Beurteilung einer Zeitspanne kommt es auf die Menge der in der betreffenden Zeitspanne neu aufgenommenen Erlebnisse an. Je mehr Eindrücke man tatsächlich aufgenommen hat, um so länger erscheint im Nachhinein die betreffende Zeitspanne gewesen zu sein. - Da auf ein Kinderleben immer sehr viel Neues einströmt, vergeht in den Kinder- und Jugendjahren rückblickend die Zeit sehr langsamer, während sie im Alter mit seinen seltenen und wenig intensiv aufgenommenen neuen Erlebnissen sie nur so dahinzurasen scheint. Der nächste Geburtstag erscheint für ein Kind furchtbar weit weg zu liegen. Wer auch im Alter die Zeit 'aufhalten' will, sollte mit wechselnder Begleitung viel reisen, aber bitte ohne Routine, sonst klappt das nicht.

Für den subjektiven augenblicklichen Eindruck spielt die Intensität des Erlebens und die Qualität des Erlebens eine große Rolle. Für den augenblicklichen Eindruck kommt es darauf an, was man gerade erlebt. Schmerzhafte Erlebnisse wollen überhaupt nicht aufhören - schöne Erlebnisse sind viel zu schnell vorbei. "Verweile doch, Du bist so schön", lässt Goethe seinen Faust zum herbeigesehnten Augenblicke sagen

Mit der Individualzeit meine ich das Zeitempfinden eines anderen Lebewesens. Wir sagen z.B., dass eine Fliege weniger lange lebt als eine Schildkröte, obwohl sie beide 'ein Leben lang' leben. Soviel ich weiß, ist die Zahl der Herzschläge bei allen Lebewesen während ihres Lebens ziemlich gleich. Die individuell empfundenen Zeitspannen dürften also für ein und denselben "tatsächlichen" Zeitabschnitt bei unterschiedlichen Tieren recht unterschiedlich ausfallen. Nur für uns als Außenstehende wird hier eine Unterscheidung in 'kurz' und 'lang' interessant. Und dieses Beispiel legt nahe, dass es nützlich sein sollte, ein objektives Maß für die Zeit zu haben, das unabhängig von einem bestimmten Individuum ist.

Es war zunächst völlig offen, welchen wichtigen Vorgang wir als objektives Maß für die Zeit erwählen sollten. Das Maß der Zeit sollte etwas Bezifferbares etwas Zählbares sein, das heißt, wir suchten nach einem periodischen Vorgang. Man hätte z. B. als Einheitsmaß den Abstand zwischen zwei Anfängen aufeinanderfolgender Regensabschnitte nehmen können. Diese Wahl aber hätte den Nachteil gehabt, dass mit diesem Maß kaum ein anderer Vorgang mit einer einfachen Regel hätte beschrieben werden können. Dabei zeigte sich also, man musste nach einem Maß suchen, mit dessen Hilfe für möglichst viele Prozesse einfache Regeln gefunden werden konnnten, wobei man sich dann aber auch nicht darüber wundern durfte, dass der dann erwählte Prozess definitionsgemäß selbst absolut regelmäßig verläuft.

Erstaunlicherweise erwies sich diese Suche mehr als erfolgreich. Wir haben Prozesse gefunden, die in praktisch unendlichfacher Auflage immer und überall vollständig identisch ablaufen. Gemeint sind die alle jene Prozesse der Mikrowelt, mit deren Hilfe wir unsere genauesten Uhren, die sogenannten Atomuhren, bauen können. Sie gestatten uns im Prinzip, alle Prozesse der klassischen Mechanik mit großer Genauigkeit vorauszusagen. Die erfüllte Voraussetzung für diesen erstaunlichen Sachverhalt ist, dass sowohl die Elektronen wie die Protonen, die an den Atomuhren maßgeblich beteiligt sind, überall völlig identisch sind. Das bedeutet aber andererseits auch, dass eine Atomuhr mit Elektronen und Protonen, die geänderte Eigenschaften haben, zwar berechenbar aber 'falsch' liefe. Mehr hierzu in '
Der Urknall'.

Doch kehren wir nun wieder zur Beschreibung unserer Zeit zuück: Zur Lokalisierung eines Ereignisses braucht man drei Raumkoordinaten und als vierte Angabe den Zeitpunkt. Die Zeit ist also die vierte Dimension. Die Zeit kann man nicht sehen oder fühlen, sie äußert sich im Verhalten der Materie. Das bedeutet zugleich: Ohne Materie gibt es vielleicht den Raum, aber es gibt ohne Materie keine Zeit. Wenn es stimmt, dass die Welt erst mit dem Urknall entstanden ist, gab es vorher keine Materie also auch keine Zeit, und es hat keinen Sinn, zu fragen, was vor dem Urknall war. - Im allgemeinen ändert sich die Zeit nur in einer Richtung, sie kehrt nicht zurück. Das liegt daran, dass die meisten Vorgänge irreversibel sind, und zwar deswegen weil alle Vorgänge mehr oder weniger komplexer Natur sind: Wir haben es stets mit einer Verkopplung sehr vieler - für sich genommen durchaus reversiblen Vorgängen - zu tun, aber es ist einfach extrem unwahrscheinlich, dass sie alle irgendwann zugleich zu jenem Ausgangszustand zurückkehren, den sie einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt gemeinsam inne hatten.